Gesundes Zahnfleisch ist hellrosa gefärbt, normalerweise straff, liegt am Zahn an und verschließt den Eintrittsbereich unserer Zähne in den Kieferknochen. Die Zahnmedizin spricht von Zahnfleischwucherungen (Gingivahyperplasie), wenn sich die Zellen des menschlichen Zahnfleischs übermäßig vermehren oder vergrößern. Eine derartige Veränderung führt zu einer Schwellung des Zahnfleischs. Dieses "wilde" Zahnfleisch ist zwar in der Regel nicht schmerzhaft oder gefährlich, kann aber unter Umständen zu einer massiven ästhetischen Beeinträchtigung führen und gegebenenfalls die Nahrungsaufnahme empfindlich behindern oder die Artikulation beeinträchtigen. Dabei haben Männer häufiger mit Zahnfleischwucherungen zu kämpfen als Frauen. Erfahren Sie hier mehr über die Symptome, die Ursachen und die Therapie von Zahnfleischwucherungen.
Welche Symptome zeigen sich bei Zahnfleischwucherungen?
Die Veränderung des Zahnfleischs (Gingiva) beginnt oft an einzelnen Interdentalpapillen (die dreieckigen Zahnfleischzipfel zwischen den Zähnen) und setzt sich dann weiter an den Zähnen fort. Zahnfleischwucherungen zeigen sich dann im weiteren Verlauf deutlich an einer spürbaren Schwellung des Zahnfleischs. Die Vermehrung oder Vergrößerung der Körperzellen des Zahnfleischs führt zu einer erkennbaren Rötung des Zahnfleischs. Es wird zudem dunkler und nimmt spürbar an Umfang zu. Häufig treten dabei auch Mundgeruch und Zahnfleischbluten als Begleiterscheinungen auf. Die fortschreitende Verdickung des Zahnfleischrandes führt zur Bildung sogenannter Pseudozahnfleischtaschen.
Eine solche Pseudozahnfleischtasche stellt eine Vorstufe zu einer tatsächlichen Zahnfleischtasche dar. Sie entsteht nicht durch die Ablösung des Gewebes vom Zahn wie bei einer Parodontitis, sondern ausschließlich durch die starke Schwellung des Zahnfleischs (der Gingiva). Die durch das übermäßige Wachstum verursachte Schwellung vertieft die Furche zwischen dem Zahn und dem Zahnfleischrand und kann mehrere Millimeter tief sein. Zahnfleischwucherungen können auf das Umfeld einzelner Zähne begrenzt sein oder das gesamte Zahnfleisch betreffen und sogar die Zahnkronen überwuchern.
Begriffsklärung: Gingivahypertrophie oder Gingivahyperplasie?
Die Zahnmedizin unterscheidet zwei unterschiedliche Erscheinungsformen von Zahnfleischwucherungen:
1. Gingivahyperplasie:
Zahnfleischwucherungen, die auf die übermäßige Vermehrung der Zellen des Zahnfleischs zurückzuführen sind, werden als Gingivahyperplasie (Hyperplasie = übermäßige Neubildung von Körperzellen) bezeichnet.
2. Gingivahypertrophie:
Entstehen die Zahnfleischwucherungen allerdings aufgrund einer volumenmäßigen Vergrößerung von Körperzellen, sprechen wir in diesem Fall von einer Gingivahypertrophie (Hypertrophie = Größenzunahme von Körperzellen).
Beide Ausprägungen von Zahnfleischwucherungen zeigen sich allerdings mit identischen Symptomen und werden auf gleiche Weise behandelt.
Welche Ursachen haben Zahnfleischwucherungen?
Eine der häufigsten Ursachen für Zahnfleischwucherungen und die sich daraus ergebenden Beeinträchtigungen ist die mangelnde Zahnpflege und -hygiene. Wenn wir die sorgfältige Pflege unserer Zähne und unseres Mundraumes vernachlässigen, begünstigen wir damit die Bildung von bakteriellem Zahnbelag (Plaque). Die in diesem Belag befindlichen Bakterien können Infektionen und damit Zahnfleischentzündungen hervorrufen. Wie bei einer Parodontitis kann das Zahnfleischwucherungen auslösen.
Neben bakteriellem Zahnbelag (Plaque) und Parodontitis können Zahnfleischwucherungen auch durch schlecht sitzenden Zahnersatz und kieferorthopädische Geräte, die das empfindliche Zahnfleisch ständig mechanisch reizen, entstehen. Allergische Reaktionen auf Bestandteile von Zahnersatz und kieferorthopädische Geräten können ebenfalls für Zahnfleischwucherungen verantwortlich sein.
Eine weitere relevante Ursache für Zahnfleischwucherungen ist die längere Einnahme bestimmter Medikamente. In den Medikamenten enthaltene Wirkstoffe wie Cyclosporin A (in immununterdrückenden Medikamenten), Phenytoin (gegen Epilepsie), Valproat (gegen Epilepsie und bipolare Störungen), Diltiazem (zur Behandlung von Herz-Kreislauferkrankungen) oder Nifedipin und Amlopidin (blutdrucksenkend und gefäßerweiternd) können als Nebenwirkung Zahnfleischwucherungen hervorrufen. In den Packungsbeilagen der entsprechenden Medikamente wird diese Nebenerscheinung allerdings häufig nicht ausdrücklich erwähnt oder nur als "sehr selten" beschrieben. Nach dem Absetzen des verantwortlichen Wirkstoffs bilden sich die Zahnfleischwucherungen nach einigen Wochen gewöhnlich von selbst zurück. Die Veränderung der Medikamentendosis oder das Absetzen eines Medikaments muss aber in jedem Fall mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden.
Auch wenn Männer häufiger unter Zahnfleischwucherungen zu leiden haben, sind Frauen während einer Schwangerschaft anfälliger Zahnfleischwucherungen. Denn während einer Schwangerschaft verändert sich der Hormonspiegel (vornehmlich Östrogen und Progesteron) deutlich und der weibliche Körper bereitet sich auf die bevorstehenden Aufgaben vor. Diese tiefgreifenden Veränderungen gehen mit der Zunahme des Blutvolumens einher. Dieser Umstand kann vermehrt zu Zahnfleischwucherungen führen. Schwangere sollten deshalb ganz besonders auf ihre Zahngesundheit achten und mindestens zwei Mal im Verlauf der Schwangerschaft zur Kontrolle ihre Zahnarztpraxis aufsuchen. Sorgfältige Mundhygiene und professionelle Zahnreinigungen sind gerade in der Zeit besonders wichtig. Lesen Sie hier alles über Schwangerschaft und gesunde Zähne.
Zahnfleischwucherungen treten ebenfalls vermehrt im Rahmen einer Reihe von Erkrankungen auf. Dazu gehören unter anderem die Sarkoidose (granulomatöse Entzündung der Organe), Leukämie (Blutkrebs), chronische Hypoxie (Unterversorgung des Körpers mit Sauerstoff) und die Wegener-Granulomatose (eine entzündliche Erkrankung der Blutgefäße).
Eine dauerhaft mangelhafte Versorgung mit Mineralstoffen und Vitaminen kann ebenfalls ursächlich für Zahnfleischwucherungen sein. Vor allem der Mangel an Vitamin C begünstigt Zahnfleischentzündungen und erhöht das Risiko für Zahnfleischwucherungen deutlich. Nicht nur aus diesem Grund ist eine ausgewogene und vielseitige Ernährung wichtig, um Zahnfleischwucherungen vorzubeugen.
Zahnfleischwucherungen kommen auch gelegentlich nach dem Einsetzen eines Implantats vor. Bei einem solchen chirurgischen Eingriff wird unvermeidlich auch gesundes Gewebe verletzt, und der Körper reagiert auf diese Verletzung mit Schwellungen in der betroffenen Region. In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass das Zahnfleisch versucht, kleinere Lücken oder Hohlräume auszufüllen und deshalb übermäßig wächst.
In seltenen Fällen ist die Anfälligkeit für Zahnfleischwucherungen erblich bedingt. In diesem Fall spricht die Zahnmedizin von einer hereditären Gingivahyperplasie. Für Betroffene ist es wichtig, bei regelmäßigen Kontrolluntersuchungen auch das Fortschreiten der Zahnfleischwucherungen durch den Zahnarzt überprüfen und gegebenenfalls entsprechend behandeln zu lassen.
Welche Folgen haben Zahnfleischwucherungen?
Sind die geschwulstartigen Zahnfleischwucherungen sehr stark ausgeprägt, können sie die regelmäßige Nahrungsmittel- und Flüssigkeitsaufnahme empfindlich behindern und so zu Dehydrierung und Untergewicht führen. Die Zahnfleischwucherungen selbst sind in den meisten Fällen nicht schmerzhaft und werden deshalb oft nicht sofort bemerkt. Im weiteren Verlauf der Wucherung schwillt das Gewebe allerdings oft sehr stark an. Deshalb können die Zähne des gegenüberliegenden Kiefers Bissverletzungen im geschwollenen Zahnfleisch verursachen, die bakterielle Entzündungen hervorrufen können. In den Tiefen der Pseudozahnfleischtaschen können sich ebenfalls Bakterien ansiedeln und vermehren, weil sie hier gut geschützt vor häuslichen Putzmaßnahmen sind. Auch wenn nicht, wie bei einer Parodontitis, gleich der gesamte Zahnhalteapparat bedroht ist, fördern Pseudozahnfleischtaschen entzündliche Vorgänge im Mundraum. Das stark verdickte Zahnfleisch lässt eine gründliche Reinigung der Zähne und Zahnzwischenräume oft nicht mehr zu und beeinträchtigt so zusätzlich die Mundgesundheit.
Wie behandelt der Zahnarzt Zahnfleischwucherungen?
Die Behandlung von Zahnfleischwucherungen ist grundsätzlich immer abhängig von der Ursache für die Zahnfleischveränderungen. Ist der Auslöser der Wirkstoff eines Medikaments, bilden sich die Zahnfleischwucherungen nach einer Umstellung der Medikation in der Regel von selbst zurück. Fortwährende mechanische Reize durch kieferorthopädische Geräte oder schlecht sitzenden Zahnersatz müssen nachhaltig beseitigt werden. Der Zahnarzt oder eine Fachkraft für Zahnprophylaxe wird darüber hinaus die Verbesserung der häuslichen Mundhygiene empfehlen und dem Patienten hier hilfreiche Tipps geben. Professionelle Zahnreinigungen können den Heilungsprozess dabei spürbar unterstützen. Regelmäßige Mundspülungen mit Chlorhexidin oder das Auftragen eines Gels haben sich zusätzlich bei der Behandlung von Zahnfleischwucherungen als hilfreich erwiesen.
Zeitigt diese Behandlung keinen Erfolg und sind die Zahnfleischwucherungen extrem ausgeprägt, muss das überschüssige Gewebe operativ entfernt werden. Das geschieht unter örtlicher Betäubung mit einem Skalpell, einem Laser oder einem HF-Chirurgiegerät. Auf diese Weise kann die natürliche Form des Zahnfleischs und die Ästhetik wieder hergestellt werden. Ein Zahnfleischverband unterstützt nach dieser Operation die Heilung des betroffenen Areals.
Zahnfleischwucherungen sind nicht gefährlich, aber unangenehm und unästhetisch. Sie können die Nahrungsaufnahme und die häusliche Zahnpflege stark behindern und so für schlimmere Konsequenzen sorgen. Bei stark geschwollenem Zahnfleisch sollten betroffene Patienten immer ihren Zahnarzt zur Kontrolle aufsuchen und die Ursache für die Veränderungen und eine entsprechende Behandlung abklären lassen.