Titanallergie oder Titanunverträglichkeit – sind Implantate möglich?

Autor: Matthias Brückner, DentNet Zahnarzt in Kassel

Titan zählt zu den Edelmetallen und ist dehnbar, korrosions- und temperaturbeständig. Die Einsatzgebiete des widerstandsfähigen Metalls sind vielfältig und reichen von Schiffspropellern und Golfschlägern über Armbanduhren und Herzschrittmacher bis hin zu künstlichen Hüft- und Kniegelenken und Zahnimplantaten. Eine Titanallergie gegen den reinen Werkstoff wird medizinisch ausgeschlossen, dennoch haben einige Menschen Probleme mit dem metallischen Zahnersatz. Hier muss unterschieden werden zwischen einer allergischen Reaktion und einer Unverträglichkeit

Was sind Titanimplantate?

Der bruchfeste Werkstoff Titan ist das am häufigsten verwendete Material für Implantate. Ein Implantat ist eine künstliche Zahnwurzel, die mit dem Kieferknochen fest verwächst und ZahnkronenZahnbrücken oder Prothesen sicher trägt. Titanimplantate bestehen aus Reintitan oder aus Titanlegierungen, sind stabil, äußerst biokompatibel und wachsen schnell in den Knochen ein. Als Zahnwurzelersatz überträgt ein Implantat die Kaukraft wie ein natürlicher Zahn und verhindert so den Knochenschwund im Kiefer. Der Einsatz von Titan in der Implantologie ist seit Jahrzehnten wissenschaftlich untersucht und erprobt.  

Wo liegen die Unterschiede zwischen Allergie und Unverträglichkeit?

Eine echte Allergie aktiviert spezielle Zellen, die eine Abwehrreaktion provozieren. Das Immunsystem reagiert auf einen eigentlich für den Körper ungefährlichen Stoff schnell mit einer übersteigerten immunologischen Reaktion. Der Körper antwortet mit typischen allergischen Symptomen wie Juckreiz, Atemnot, Schwellungen und Kreislaufproblemen bis hin zum Kollaps. Eine Allergie gegen einen bestimmten Stoff oder einen Nahrungsmittelbestandteil kann mit Tests nachgewiesen werden und in besonders schweren Fällen (Anaphylaktischer Schock) sogar tödlich sein. 

Eine Unverträglichkeit ist nicht gefährlich, äußert sich schwächer und eher unspezifisch. Das Immunsystem ist nicht an der Abwehrreaktion beteiligt. Der Körper äußert sich mit verschiedenen Krankheitszeichen oder entzündungsähnlichen Erscheinungen und ist allgemein angeschlagen. Es kann zu Kopfschmerzen, Erschöpfung, Hautausschlägen, Müdigkeit oder Magen-Darm-Beschwerden kommen. Unverträglichkeiten lassen sich nicht immer eindeutig mit Tests nachweisen.  

Gibt es eine Titanallergie?

Eine Allergie auf reines Titan konnte bisher nicht nachgewiesenen werden. Das liegt daran, dass die raue Oberfläche von Titan bei Kontakt mit Sauerstoff sofort oxidiert und damit passiv wird. Oxidiertes Titan ist nicht mehr in der Lage, eine Allergie hervorzurufen. Ist reines Titan jedoch herstellungsbedingt mit Partikeln von Nickel oder Zinn verunreinigt, können diese Stoffe allergische Reaktionen auslösen. Manche Implantate bestehen aufgrund besserer Materialeigenschaften und aus Kostengründen auch aus Titanlegierungen, also aus mehreren Metallen, von denen einige wiederum in der Lage sind, Allergien hervorzurufen. Probleme und Überempfindlichkeiten entstehen meist durch andere Stoffe als durch reines Titan. Die Zahnmedizin schließt eine Titanallergie aus.

Wodurch entsteht eine Titanunverträglichkeit?

Implantate aus Titan geben durch Abrieb winzige Partikel an das umliegende Gewebe ab, zum Beispiel beim Eindrehen in den Knochen. Diese Partikel haben einen Durchmesser von 1–10 µm und werden vom Immunsystem ignoriert. Körpereigene Fresszellen (Monozyten, Gewebemakrophagen) wollen diesen Abrieb abtransportieren. Haben die Fresszellen die genetisch bedingte Veranlagung zu einer erhöhten Entzündungsbereitschaft, verursachen sie dabei eine entzündliche Reaktion. Das kann dazu führen, das bei manchen Patienten die Einheilung von Implantaten gestört ist. Der Körper kann außerdem mit unspezifischen Schmerzen, Lymphknotenschwellungen, erhöhtem Speichelfluss, Schleimhautentzündungen oder Gelenkbeschwerden reagieren. Derart unklare Reaktionen müssen aber nicht unbedingt der Beweis für eine Titanunverträglichkeit sein.

Wie lässt sich eine Titanunverträglichkeit oder eine Allergie nachweisen?

Ein Allergietest auf verschiedene Metalle ist vor dem Einsetzen eines Implantats mit einem Lymphozytentransformationstest (LTT) möglich und kann bei bestimmten Patienten zweckmäßig sein. Eine Titanunverträglichkeit ist selten, daher gehört der Test nicht zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenkassen. Für den Test fallen private Kosten in Höhe von etwa 100 Euro an.

Patienten, die eine erhöhte Entzündungsneigung haben, können prüfen lassen, ob sie eine Unverträglichkeit gegen Titanoxidpartikel aufweisen. Beim Titan-Stimulationstest wird untersucht, ob die Blutzellen des Patienten beim Kontakt mit Titanoxidpartikeln darauf antworten, indem sie verstärkt entzündungsfördernde Proteine (Zytokine) freisetzen. Patienten, deren Blutzellen so reagieren, droht eine starke Entzündungsreaktion durch die Titanoxidpartikel. Sie haben ein erhöhtes Risiko, ein Titanimplantat wieder zu verlieren. Ein Titan-Stimulationstest muss privat bezahlt werden und kostet etwa zwischen 50 und 100 Euro. Für diesen Test ist nur eine Blutentnahme und eine anschließende Untersuchung im Labor erforderlich. Um das Risiko eines teuren Implantatverlustes auszuschließen und gute Voraussetzungen für einen Langzeiterfolg zu schaffen, sind die Kosten gut investiert.

Mit einem Gen-Test, der die individuelle Entzündungsneigung einer Person bestimmt, können vor einer Implantation Risikopatienten von Nicht-Risikopatienten unterschieden werden. Ein solcher Test kostet etwa zwischen 170 und 250 Euro.

Ein Epikutantest (Kontaktallergietest) auf Titan ist nicht sinnvoll, da Titanpartikel die Haut nicht durchdringen können.

Welche Alternativen gibt es zu Titan-Implantaten?

Metallfreie Implantate aus Zirkondioxid (Keramik-Implantate) sind auch für Risikogruppen wie chronisch kranke Patienten, Rheumatiker oder Allergiker geeignet. Keramik-Implantate werden vom Weichgewebe sehr positiv aufgenommen und sind biologisch uneingeschränkt verträglich. Sie haben gegenüber den Titanimplantaten sogar den ästhetischen Vorteil, dass durch die zahnfarbene Keramik auch bei sehr dünnem Zahnfleisch kein dunkler Metallschimmer erkennbar ist.  

Eine andere Möglichkeit, Menschen mit Allergien oder hoher Entzündungsneigung gegen Titanpartikel mit implantatgestütztem Zahnersatz zu versorgen, sind Implantate mit einem Titankern. Der Kern aus Titan wird mit einer keramischen Oberfläche beschichtet, sodass ein Kontakt zwischen dem Kieferknochen und dem Metall ausgeschlossen ist.

Ist eine Implantation aus gesundheitlichen Gründen nicht angeraten, bietet sich auch eine herkömmliche Zahnersatzversorgung ohne Implantation an, zum Beispiel eine Zahnbrücke oder herausnehmbarer Zahnersatz

Fazit:

Eine Titanallergie wird nach wissenschaftlicher Lehrmeinung ausgeschlossen, Überempfindlichkeiten auf Abriebpartikel des Metalls sind aber möglich. Allergien gegen andere Metalle oder Materialien im Implantataufbau können vorkommen, aber vor einer Versorgung durch Tests identifiziert werden. Für Menschen mit Allergien oder hoher Entzündungsneigung und einer Unverträglichkeit gegen Titanpartikel sind Keramik-Implantate oder eine andere Zahnersatzversorgung empfehlenswert.

Hinweis: Dieser zahnmedizinischer Artikel soll das Verständnis und Wissen über allgemeine Mundgesundheitsthemen fördern. Er ist kein Ersatz für professionelle Beratung, Diagnose oder Behandlung. Lassen Sie sich bei Fragen zu einer Erkrankung oder Behandlung immer von Ihrem Zahnarzt oder einem anderen qualifizierten Gesundheitsdienstleister beraten.