Implantation und Sofortimplantation: Augmentation mit autogenem Dentin

Autor: Matthias Brückner, DentNet Zahnarzt in Kassel

Der Erfolg einer Implantation hängt maßgeblich davon ab, wie es um den Kieferknochen bestellt ist, in dem die künstlichen Zahnwurzeln fest verwachsen sollen (Osseointegration). In der Zahnmedizin gibt es verschiedene Möglichkeiten, schwindenden Knochen im Kiefer wieder aufzubauen. Eine davon ist der Knochenaufbau (Augmentation) mit Dentin-Partikeln aus extrahierten Zähnen des Patienten. 

Warum geht Knochen verloren?

Für Knochenschwund im Kiefer sind meistens Krankheitsprozesse verantwortlich. Die chronische Entzündung bei Zahnfleischerkrankungen oder Parodontitis sind die häufigsten Ursachen für schwindenden Knochen und Zahnverlust. Auch fehlende Zähne sorgen für den Abbau. Wenn ein Zahn gezogen wird, fällt die leere Stelle im Kiefer (das knöcherne Zahnfach oder medizinisch: die Alveole) immer ein wenig in sich zusammen, und der Knochen beginnt unmittelbar damit, sich abzubauen. Soll an dieser Stelle sofort nach der Extraktion des Zahns oder später ein Implantat gesetzt werden, kann dem unweigerlichen Abbau der Knochensubstanz direkt entgegengewirkt werden. Das geschieht zum Beispiel bei der Socket Preservation

Knochenersatzmaterial aus Eigenproduktion

Körpereigenes (autogenes) Material gilt in der Zahnmedizin als Goldstandard für die Augmentation des Kieferknochens. Es heilt schneller ein als tierische oder synthetische Materialien und erzeugt keine Immunabwehrreaktionen. Die Transplantation von autogenen Knochenblöcken aus dem Beckenkamm ist eine zusätzliche Belastung für den Patienten: Sie erfordert einen zweiten chirurgischen Eingriff und eine weitere Operationswunde, die ausheilen muss.

Rund 12 Millionen Zähne werden jährlich in Deutschland gezogen und gelten als klinischer Abfall. Dabei sind sie eine wertvolle Ressource: Ein Zahn besteht – vom Schmelz und Kollagen abgesehen – hauptsächlich aus Dentin (Zahnbein) und hat damit eine ganz ähnliche strukturelle und biologische Beschaffenheit wie menschlicher Knochen. Dentin setzt allerdings mehr Wachstumsfaktoren frei als transplantierter Knochen. Das Prinzip, autogenes Dentin als Knochenersatzmaterial zur Augmentation zu verwenden, wurde bereits in den späten 60er Jahren beschrieben (Yeomans et al., 1967), findet aber erst seit einigen Jahren in der Praxis Anwendung. Nicht erhaltungswürdige oder verlagerte Zähne (z. B. Weisheitszähne), die entfernt werden müssen, können als Basis für neues Knochengewebe wiederverwendet werden – sogar extrahierte Zähne, die schon jahrelang als Andenken in einer Schachtel schlummern.

Zähne recyceln – wie funktioniert das?

Extrahierte Zähne müssen zunächst mechanisch gereinigt werden. Sämtliches Fremdmaterial, zum Beispiel Füllungen oder künstliche Kronen, Weichgewebe und Wurzelzement, wird vollständig entfernt. Danach werden die Zähne getrocknet und anschließend in einem speziellen Gerät geschreddert. Es ähnelt einer sehr modernen Kaffeemühle, zerkleinert das Material innerhalb weniger Sekunden und siebt mithilfe von Vibrationen die geeignete Partikelgröße des Dentins aus. Die Dentin-Partikel werden chemisch in einer Lösung entkeimt, in einer anderen neutralisiert und erneut getrocknet. Dann ist das autogene Ersatzmaterial einsatzfähig und kann bei Implantationen, Sofortimplantationen, bei einem Sinuslift oder anderen Knochenaufbaumaßnahmen verwendet werden. Der ganze Vorgang der Aufbereitung dauert zwischen 15 und 30 Minuten. Bei einer lateralen Kieferkammaugmentation können auch Zahnwurzelfragmente analog zu autogenen Knochenblöcken verwendet werden, die mit dem Knochen fest verwachsen und ihn stabilisieren.

Einsatz von autogenem Dentin bei Sofortimplantation

Im Fall einer Sofortimplantation wird das Implantat direkt nach der Extraktion des Zahnes in das leere Zahnfach gesetzt. Eine Sofortimplantation kann unter bestimmten Kriterien das Mittel der Wahl sein, um die Struktur von Hart- und Weichgewebe an der Extraktionsstelle zu erhalten. Die Voraussetzungen sind ein entzündungsfreies, intaktes Zahnfach und eine gute Knochenqualität, damit eine hohe Primärstabilität beim Eindrehen des Implantats erreicht wird. Ist der Zahn extrahiert worden, setzt der Zahnarzt das Implantat in die Lücke. Der entstehende Leerraum um das Implantat herum (Jumping distance) wird mit autogenem Dentin aufgefüllt, um die Resorption des bukkalen (zur Wange hin gerichteten) Knochens der Alveole zu minimieren und einen schnellen Knochenwuchs zu erzielen. Je nach Indikation kann das Ersatzmaterial mit zentrifugierten Bestandteilen aus dem eigenen Blut des Patienten vermischt werden (PRF = platelet rich fibrin), um den Prozess der Wundheilung und Regeneration durch die enthaltenen Stammzellen zu unterstützen und zu beschleunigen. Im Verlauf von sieben bis zwölf Wochen bildet sich aus dem autogenen Zahnbein stabiler Knochen, der dem Implantat ein sicheres Fundament bietet.  

Fazit

Aus alten Zähnen neuen Knochen machen – autogenes Dentin ist ein körpereigenes bioaktives Material, das eigentlich als Abfall entsorgt würde. Auf Ersatzmaterial tierischer oder synthetischer Herkunft kann verzichtet werden, eine Immunabwehrreaktion ist nicht zu befürchten. Mit der dentalen Augmentation durch autogenes Zahnbein wächst neuer Knochen dort, wo man ihn benötigt. In vielen Praxen ist das Verfahren bereits etabliert.