Kieferorthopädie: Korrektur von Zahnfehlstellungen

Das Zusammenwirken der Zähne im Mund ist vergleichbar mit den Spielern eines Fußballteams: Jedes Teammitglied hat seine bestimmte Position und Aufgabe im "Spielfeld". Wenn Zähne schief stehen und nicht mehr richtig aufeinander passen, vorstehen oder sich drehen, dann können sie ihre Aufgabe nicht mehr reibungslos erfüllen. Die Kaufunktion und die Gesundheit des ganzen Gebisses sind gefährdet. 

Wie wird ein Zahnarzt Kieferorthopäde?

Die Kieferorthopädie ist ein Teilgebiet der Zahnmedizin und befasst sich mit der Verhütung, Erkennung und Behandlung von Fehlstellungen der Zähne und des Kiefers. Die hauptberufliche und ganztägige Weiterbildung zum Facharzt für Kieferorthopädie dauert insgesamt drei Jahre (in einigen Bundesländern auch vier Jahre), von denen mindestens ein Jahr an einer weiterbildungsbemächtigten Universitätsklinik absolviert werden muss. Jeder Teil der Ausbildung muss von der Landeszahnärztekammer separat genehmigt werden. Während der Weiterbildung erlernt der Zahnarzt die speziellen Techniken und Verfahren der Kieferorthopädie, wie zum Beispiel das Anpassen von Zahnspangen, die Behandlung von Zahn- und Kieferfehlstellungen sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fachgebieten wie Kieferchirurgie und Logopädie. Nach erfolgreichem Abschluss ist der Zahnarzt qualifiziert, Fehlstellungen und Fehlfunktionen zu diagnostizieren und bei Kindern und Erwachsenen individuelle kieferorthopädische Therapien und korrigierende Maßnahmen durchzuführen. 

Welche Ursachen haben Zahnfehlstellungen?

Zahn- und Kieferfehlstellungen können vererbt oder durch äußere Einflüsse erworben werden. Ein Über- oder Unterbiss, Lippen- oder Gaumenspalten, zu viele oder zu wenige Zähne können zu den genetisch bedingten Fehlstellungen gehören. Ob ein Kind gestillt oder mit der Flasche ernährt wurde, kann sich auf den Stand der Zähne auswirken: Das Nuckeln an der Flasche oder auch am Daumen kann zu einem "offenen" Biss führen. Extremes Zähneknirschen oder das gewohnheitsmäßige Herumkauen auf Gegenständen wie Stiften hat ebenfalls Folgen für das Gebiss. Auch der frühzeitige Verlust von Milchzähnen – zum Beispiel durch einen Sturz oder durch extreme kariöse Zerstörung – kann eine Verschiebung der bleibenden Zähne zur Folge haben.

Welche Folgen haben Zahn- und Kieferfehlstellungen?

Bereits bei kleinen Abweichungen im Zusammenspiel der Zahnreihen kommt es zu funktionellen Problemen. Gekippte Schneidezähne können nicht mehr richtig abbeißen und sogar die Aussprache beeinträchtigen. Durch einen gestörten Kauprozess aufgrund der Fehlstellungen können sich Magen- und Darmprobleme entwickeln. Zähne, die zu eng stehen, lassen sich schlecht reinigen und haben deshalb ein erhöhtes Risiko, an Karies und Parodontitis zu erkranken. Zahnverlust führt zu Wanderungen der benachbarten Zähne, die in die Lücke rutschen. Der Kieferknochen baut sich ab, wenn der Gegendruck auf der anderen Kieferseite fehlt. Durch die Fehlstellung können auch Kiefergelenkbeschwerden und Muskelverspannungen entstehen. Durch Über- oder Fehlbelastung können Zähne, Zahnfleisch und der Zahnhalteapparat geschädigt werden. Auch Kopf-, Ohren- und Rückenschmerzen oder Tinnitus gehören zu den möglichen Symptomen. Nicht zuletzt ist oft auch die mangelnde Ästhetik ein Problem, wenn Frontzähne vorstehen oder sich übereinander schieben. Kiefer und Zähne formen auch unser Gesicht und unsere Sprache. 

Wie diagnostiziert der Kieferorthopäde die Fehlstellungen?

Für die kieferorthopädische Behandlung erfolgt in der Praxis zunächst eine detaillierte Erstuntersuchung und Beratung. Die Krankheitsgeschichte des Patienten wird erfasst, aktuelle Beschwerden und vorherige Behandlungen aufgenommen. Kiefer, Zähne und Mund werden untersucht und die Funktion überprüft. Auch die Form des Schädels und das Aussehen des Gesichts wird bei der extraoralen Diagnose eingehend betrachtet und auf Asymmetrien untersucht. Mit Röntgenbildern kann sich der Kieferorthopäde ein detailliertes Bild verschaffen. Bei Kindern kann auch eine Handwurzelaufnahme nötig sein, um Rückschlüsse auf das noch zu erwartende Wachstum ziehen zu können.    

Kieferorthopädische Therapien

Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen kann eine kieferorthopädische Behandlung angeraten sein. Bei Kindern lässt sich durch frühes Erkennen von Fehlstellungen das Wachstum des Kiefers und die Position von Zähnen noch sehr gut in relativ kurzer Zeit beeinflussen. Bei Erwachsenen muss für eine Kieferkorrektur häufig eine therapeutische Kombination aus Kieferchirurgie und -orthopädie angewandt werden. Der Zahnstand von Erwachsenen lässt sich ebenfalls korrigieren, allerdings bewegen sich die Zähne langsamer als bei Kindern, da der Zahnhalteapparat nicht mehr flexibel ist. 

Vorbeugende Maßnahmen bei Kindern

Um bei Kindern Fehlstellungen durch mechanische Einflüsse (wie Schnuller, Daumenlutschen, etc.) frühzeitig zu verhindern oder abzuschwächen, kann der Zahnarzt in Ausnahmefällen als Frühbehandlung eine Mundvorhofplatte empfehlen. Falls der kleine Patient zu früh einen Milchzahn verloren hat, bietet die Kieferorthopädie verschiedene Arten von Lückenhaltern an, die verhindern, dass der bleibende Zahn schief in die Lücke wächst. Die Apparatur ist als festsitzende und herausnehmbare Version erhältlich. In der Regel wird eine kieferorthopädische Behandlung bei Kindern zwischen dem 10. und 13. Lebensjahr begonnen. 

Festsitzende Zahnspangen zur Zahnkorrektur

Feste Spangen sind in der Lage, Zahnkrone und Zahnwurzel zu bewegen. Auf den Zähnen werden kleine Halterungen – Brackets – befestigt, die mit einem Bogendraht verbunden sind. Durch diese Vorrichtung wird steter Druck auf die Zähne ausgeübt und verändern allmählich die Stellung der Zähne. Die Brackets gibt es in verschiedenen Größen und Materialien, sie können je nach Art der Zahnspange außen oder innen am Zahn (Lingualtechnik) angebracht sein. Keramikbrackets sind die unauffälligste Form: Sie sind zahnfarben oder transparent und fallen dadurch kaum auf. Feste Zahnspangen gibt es auch für Erwachsene, sofern Zähne und Zahnhalteapparat gesund sind. Sie müssen beim Kieferorthopäden regelmäßig nachjustiert werden.

Herausnehmbare Zahnspangen zur Kieferregulation

Sie werden nach einem Zahnabdruck angefertigt und meistens bei Kindern eingesetzt, die die zweite Phase des Wechselgebisses erreicht haben – das passiert etwa im Alter von 10 bis 13 Jahren. Ihre Hauptaufgabe ist, das Kieferwachstum zu fördern und Zahnbögen zu verbreitern. Mit ihnen können aber auch kleinere Zahnkorrekturen vorgenommen werden. Die Zahnwurzeln können durch diese Spangen allerdings nicht beeinflusst werden. Man unterscheidet bei dieser Behandlung zwischen funktionskieferorthopädischen Geräten, bei denen die natürlichen Muskelkräfte genutzt werden, um die Korrektur zu erzeugen, und mechanischen Geräten ("aktive Platten"), bei denen der gewünschte Druck auf das Gebiss vorher exakt berechnet wird. Auch diese Zahnspangen müssen regelmäßig nachgestellt werden.

Außenzahnspangen

Um die großen Backenzähne bewegen zu können, kann auch eine Außenzahnspange eingesetzt werden. Sie ermöglicht durch die außen am Kopf abgestützte Verankerung tiefgreifende Verschiebungen im Gebiss und auch die Korrektur von Über- oder Unterbiss. Die Behandlung mit einer Außenzahnspange ist sehr effektiv; sie ist allerdings auch sehr auffällig und nicht angenehm zu tragen, was sich besonders bei Kindern und Jugendlichen negativ auf die Motivation auswirken kann.

Non-Compliance-Geräte

Die geringste Eigeninitiative des Patienten benötigen Non-Compliance Geräte. Häufig werden sie ergänzend zu einer festen Spange eingesetzt, wenn diese allein zur Korrektur nicht ausreicht. Die festsitzende Apparatur ist mit den Zähnen verbunden und eine unauffällige Alternative zur Außenzahnspange. Verschiedene Ausführungen korrigieren unterschiedliche kieferorthopädische Problemstellungen wie Platzmangel im Ober- und Unterkiefer, Über- oder Unterbiss oder verbreitern die Gaumenspalte. Die fest angebrachten Geräte können nicht herausfallen oder verloren gehen, der Patient muss nur für die sorgfältige Mundhygiene sorgen. 

Transparente Zahnschienen zum Herausnehmen

Individuell nach Gebissabdruck geformte Kunststoffschienen bewegen etappenweise die Zähne in die gewünschte Richtung. Die unsichtbare Zahnspange beeinträchtigt die alltägliche Ästhetik praktisch überhaupt nicht und wird gern von Erwachsenen verwendet, um kleinere Korrekturen an der Zahnstellung vorzunehmen. Das gewünschte Ergebnis wird am Computer vorausberechnet und die Entwicklung auf mehrere Schienen verteilt, die nacheinander getragen werden müssen. Allerdings können mit den Schienen nur die Zahnkronen bewegt werden, die Wurzel bleibt davon unberührt. Die Zähne neigen nach Abschluss der Behandlung dazu, sich wieder in die ursprüngliche Position zu verlagern, deshalb müssen nach der Behandlung erhaltende Maßnahmen ergriffen werden wie Retainer-Schienen für die Nacht oder ein Draht-Retainer, der unsichtbar innen an den Zähnen befestigt wird. Lesen Sie hierzu auch unseren DentNet Ratgeber Artikel zum Thema: Zahnkorrekturschienen.

Erhaltung der kieferorthopädischen Korrekturen

Nach der kieferorthopädischen Korrektur und Zahnbewegung müssen die erfolgten Umbauprozesse an Zähnen und Kieferknochen stabilisiert werden, bis die Zähne an der neuen Position festgewachsen sind. Je nach Rückfallneigung der Zähne kann eine solche Maßnahme drei bis fünf Jahre dauern, wird aber in manchen Fällen sogar lebenslang empfohlen. Es gibt herausnehmbare Retainer wie die durchsichtige Zahnschiene für die Nacht oder passive Plattenapparaturen, mit denen bestimmte Tragezeiten eingehalten werden müssen. Ein Lingualretainer ist ein Draht, der hinter die Zähne geklebt wird und sie dauerhaft und unsichtbar an ihrer Position hält. Regelmäßige Kontrollbesuche beim Kieferorthopäden sind in der Retentionsphase unabdingbar. 

Mundhygiene und kieferorthopädische Maßnahmen

Gewissenhafte, regelmäßige Zahnpflege ist wichtig, wenn Zahnspangen und Zahnschienen verwendet werden. Bei festsitzenden Zahnspangen entstehen durch die befestigten Brackets auf der Zahnoberfläche viele winzige Nischen und schlecht zugängliche Bereiche. Dort kann sich besonders gut Plaque ansiedeln und Karies entstehen. Fragen Sie Ihren Zahnarzt nach einer Umfeldversiegelung, durch die der Zahnschmelz rund um die Brackets geschützt wird. Herausnehmbare Schienen und Spangen sollten nach jedem Essen mit einer Handzahnbürste und ein wenig Zahnpasta gebürstet werden. Auch bei stabilisierenden Retainern muss besonders gründlich geputzt werden. Ihr Kieferorthopäde kann Ihnen Pflegetipps zur Reinigung Ihrer Zahnspangen und Schienen geben und diese beim Besuch in der Praxis professionell reinigen. Mehrmals im Jahr unterstützt eine professionelle Zahnreinigung (PZR) die häusliche Mundpflege. 

Wer trägt die Kosten einer KFO-Behandlung?

Die Kosten für eine kieferorthopädische Erstuntersuchung übernimmt die Krankenkasse. Der Schweregrad der Fehlstellung ist entscheidend für die Höhe der Kosten, die von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet werden. Eingeteilt in insgesamt fünf Stufen, erstattet die Krankenkasse nur Leistungen für die Schweregrade 3 - 5. Die Erstattung erfolgt in der Regel bei medizinischer Indikation nur bis zum 18. Lebensjahr, weil eine Behandlung bis zu diesem Zeitpunkt den größten Erfolg verspricht. Bei Erwachsenen werden die Kosten nur übernommen, wenn eine schwere Kieferanomalie vorliegt, die zusätzlich noch eine kieferchirurgische Behandlung erfordert.

Nach der Ermittlung des Schweregrads erstellt der Kieferorthopäde einen Heil- und Kostenplan, der von der Krankenkasse genehmigt werden muss. Dann werden 80 % der Kosten sofort erstattet. Die übrigen 20 % werden zunächst vom Patienten selbst übernommen und erst nach erfolgreichem Abschluss der Behandlung zurückerstattet. Zahnspangen bezahlt die gesetzliche Krankenversicherung nur in einfacher, zweckmäßiger Ausführung. Alle Besonderheiten oder Extrawünsche, die über eine medizinische Notwendigkeit hinausgehen, muss der Patient selbst bezahlen (zum Beispiel Keramikbrackets oder die Zahnspange in Lingualtechnik). Zahnzusatzversicherungen können je nach versicherten Leistungen ebenfalls Kosten für die Kieferorthopädie übernehmen.

Fazit:

Schiefe Zähne oder ein Überbiss müssen nicht sein. In der kieferorthopädischen Praxis kann der Fachzahnarzt selbst für schwere Fälle eine Therapie anbieten. Eine kieferorthopädische Behandlung kann sich über mehrere Jahre hinziehen und je nach Aufwand und gewünschter Ausführung auch höhere Kosten verursachen, aber dafür strahlen Sie oder Ihr Kind anschließend wieder mit dem schönsten Lächeln.

Hinweis: Dieser zahnmedizinischer Artikel soll das Verständnis und Wissen über allgemeine Mundgesundheitsthemen fördern. Er ist kein Ersatz für professionelle Beratung, Diagnose oder Behandlung. Lassen Sie sich bei Fragen zu einer Erkrankung oder Behandlung immer von Ihrem Zahnarzt oder einem anderen qualifizierten Gesundheitsdienstleister beraten.


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